Faust
Der Tragödie erster Teil
Die Inszenierung in der Ästhetik eines Stummfilms von Murnau zeigt wieviel Zeit seit der Entstehung des Textes vergangen ist. – Und doch ist vieles unverändert aktuell.
Ein Mann zwischen Furcht und Freiheit ist auf der Suche nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Johann Wolfgang Goethe sah im Wissenschaftler Faust den modernen Menschen schlechthin und arbeitete sein ganzes Leben an dieser Schlüsselfigur. In seinem Hauptwerk diskutiert er die tief greifenden gesellschaftlichen und politischen Umbrüche vom Absolutismus zum Bürgertum, vom Untertan zum freien Bürger, Forscher und Unternehmer. Faust begreift sich nicht mehr als ein Teil von Gottes Plan, sondern versucht, seinen eigenen Weg zu verfolgen. Trotzdem geht ein Riss durch diese Figur: Dem Drang nach unbegrenzter Erkenntnis steht die Sehnsucht nach Einklang mit der Natur gegenüber. Das junge, unerfahrene Gretchen wird zum Objekt seines Begehrens. Mit Hilfe von Mephisto gelingt es Faust, die junge Frau zu verführen und an sich zu binden. Sie stürzt ins Bodenlose.
Michael Talkes Inszenierung kommt ästhetisch wie ein Stummfilm von Murnau daher. Mit der Künstlichkeit der Figuren und ihrer expressiven Spielweise macht er deutlich, wie viel Zeit seit der Erschaffung des Textes und seiner Sprache vergangen ist, wie geradezu grotesk jene Welt erscheint, in der Geister und der Teufel auftreten, ein Pudel sich in eine Menschengestalt verwandelt oder eine Jungfrau ein solch monströses Martyrium erleidet. Nach wie vor aktuell sind die Macht des alten weißen Mannes und seine Entwicklung vom Zweifler zum Getriebenen, zum skrupellosen Macher. Das interessiert den freischaffenden Opern- und Schauspielregisseur Talke besonders, der auch am Deutschen Theater Berlin und am Thalia Theater Hamburg inszeniert.
Spieldauer: 2 Std.