Erniedrigte und Beleidigte
Staatsschauspiel Dresden
Der Zyniker Fürst Walkowski verspottet selbstaufopfernde Liebe als Illusion. Bald treibt die Sucht nach Genugtuung ganze Familien in den sozialen Abstieg.
Dostojewski lässt den fiktiven Dichter Iwan Petrowitsch auf den Zyniker Fürst Walkowski treffen. Walkowski verspottet mit Vergnügen alles Gerede über Altruismus und selbstaufopfernde Liebe als bloße Illusion. Seinen Sohn, den willensschwachen, kindlichen Aljoscha, hat er bei der Familie seines Verwalters, den Ichmenews, untergebracht, in der auch der junge Petrowitsch aufwuchs.
Natascha, die Tochter der Ichmenews, verliebt sich in Aljoscha, verlässt mit ihm die Familie. Walkowski verklagt seinen Verwalter, bezichtigt ihn der Intrige. In rasanter Folge gehen Liebesverwirrungen, ihre skrupellose Instrumentalisierung und der soziale Abstieg ganzer Familien ineinander über. Despotisch ist nicht nur der Fürst, alle Figuren sind von ihrem verletzten Selbst und der Sucht nach Genugtuung getrieben. Hinter den großen Emotionen aber geht es schlicht um Vermögensanteile: „Das Leben ist ein Handelsgeschäft; werfen Sie ihr Geld nicht umsonst weg“, rät Walkowski dem mittellosen Dichter.
Sebastian Hartmanns zum Berliner Theatertreffen 2019 eingeladene Inszenierung zielt nicht auf die lineare Nacherzählung des Romans von Dostojewski, sondern auf die ekstatische Auflösung von Sinn und Logos, so wie sie in Krankheit, Liebe und hier in der Kunst erfahrbar werden. Der Regisseur verschränkt dabei die Romanvorlage mit der Hamburger Poetikvorlesung von Wolfram Lotz und arbeitet mit choreografischer und schauspielerischer Energie am Gesamtwerk.
Spieldauer: ca. 3 Std.