Wunderkind, politischer Geist und Erzähler
Der Geiger Daniel Hope gastiert mit einem „Tanzprogramm“ in der Stuttgarter Liederhalle
Man tritt Daeniel Hope vermutlich nicht zu nahe, wenn man ihn als Tausendsassa bezeichnet. Klar, die Wunderkind-Phase hat der mittlerweile 50-jährige Geiger längst hinter sich gelassen, hat sich in seinem Wirken aber immer noch eine jungenhafte Neugierde und Aktivität bewahrt. „Als Musiker sucht man nach Ausdruck, man hat die Aufgabe, die Emotionen der Komponisten zu vermitteln. Das ist eine intensive Auseinandersetzung, die zu immer neuen Entdeckungen führt. Und so bleibt auch der Musiker immer jung. Das ist das Erstaunliche an der Musik.“ So äußerte sich Daniel Hope vor ein paar Jahren in einem gemeinsamen Gespräch während der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, wo er eine Zeit lang künstlerischer Leiter war. Geiger, Festivalleiter, Buchautor, Förderer, Entdecker – mit all diesen Attributen kann man den in Südafrika geborenen Musiker beschreiben. In einem sehr umfassenden Sinn ist Hope vermutlich ein Suchender: „Ob ich auf der Suche nach der eigenen Person bin? In jedem Fall findet man viel über sich heraus, wenn man auf der Bühne steht, vor allem, was die eigenen Gefühle betrifft.“
Mit dem Geigenspiel begann er bereits als Dreijähriger und steckte sich noch als Kind hohe Ziele: Die Violinkonzerte von Mendelssohn und Beethoven hatten es ihm angetan, doch sein Geigenlehrer hielt diese Stücke für zu ambitioniert, was dazu führte, dass der kleine Daniel sie heimlich übte. Kein Wunder, wenn man bedenkt, in welchem Umfeld er aufwuchs, nachdem seine Eltern aus Südafrika nach Europa umzogen. Seine Mutter war die Managerin des großen Geigers Yehudi Menuhin und Leiterin des Menuhin-Festivals in Gstaad. Zahlreichen großen Musikern begegnete Daniel Hope also schon im Gundschulalter. Später wurde Menuhin dann auch sein Lehrer, vor allem aber Hopes Mentor, der seine raketenhafte Karriere beförderte.
Kritiker bemängelten allerdings schon immer, dass er als Geiger technisch nie völlig ausgereift sei. In der Tat zeigen sich bei ihm immer wieder Schwierigkeiten, auch Unsauberkeiten, egal ob er nun die eher filigranen Werke Bachs und Mozarts oder die romantischen Schwergewichte von Brahms und Co. musiziert. Zweifellos wird man für die meisten dieser Solokonzerte heutzutage Geigerinnen und Geiger finden, die dieses Repertoire makelloser und brillanter spielen. Aber was Daniel Hope immer zu bieten hat, ist seine Persönlichkeit. Betritt er die Bühne, spürt man eine starke Aura, einen großen Willen, sich künstlerisch im Musizieren mitzuteilen. Vielleicht ist Hope in Wirklichkeit auch das: ein Erzähler. Jemand, der mit seiner Kunst große Geschichten mit emotionalem Tiefgang erzählt. Interessanterweise hat er auch den Schritt zur Schriftkultur gemacht und hat vier autobiographisch gefärbte Bücher geschrieben, in denen er sich auf die Suche nach seinen Wurzeln begeben hat. Seine jüdische Herkunft, das Schicksal seiner Familie hat er erkundet und zieht Parallelen in die Gegenwart, denn Daniel Hope ist auch ein politischer Geist, einer, der sich positioniert und vor der Wiederkehr eines politischen Schreckens warnt.
Kein Zufall also, dass er auch ganz bewusst in der Musikgeschichte gräbt und Stücke wieder ans Tageslicht bringt, denen er eine Botschaft beimisst, etwa sein Projekt mit Musik aus dem Konzentrationslager Theresienstadt: „Man kann zwar nicht die Welt verändern, aber Musik hat eine gewaltige Macht. Man kann mit ihr die Menschen direkt erreichen, die Menschen reagieren auf Musik und das provoziert zum Denken.“
Konzeptprogramme nennt man derlei Zusammenstellungen inzwischen, die sich vom üblichen Repertoire-Allerlei abheben. Daniel Hope ist ein Meister darin, solche Programme zusammenzustellen. Wenn er neugierig geworden ist und eine Spur gefunden hat, dann gräbt er sich immer tiefer in die Materie ein, durchforstet Archive und Bibliotheken und hat dabei so manchen musikalischen Schatz wiederentdeckt, und dabei überschreitet er bisweilen munter sämtliche Stil- und Genre-Grenzen, verknüpft in geradezu unbändiger Freude Stücke aus Klassik, U-Musik, Folklore. Ängste vor Jazz, Crossoverprojekten und anderen Stacheln im Fleisch des Schubladendenkens hat er nicht, sie sind wie vieles andere auch lediglich eine Inspirationsquelle, die immer nur ein Ziel hat: „Ich will Musik spielen, die ich persönlich genial finde, die mich anspricht, in der ich Emotionen entdecke. Das können klassische Hits, Auftragskompositionen oder eben Popularmusik sein.“
In Stuttgart wird Daniel Hope zusammen mit dem Zürcher Kammerorchester, dessen Musikdirektor er seit 2016 ist, Stücke aufführen, die dem Tanz gewidmet sind oder einen tänzerischen Charakter haben. Das Spektrum reicht vom Barock bis in die Moderne, Ausschnitte aus Opern von Händel, Gluck und Bizet finden sich ebenso wie Szenen aus Tschaikowskys „Schwanensee“. Auch ein Tango von Astor Piazzolla und ein Ragtime dürfen in dieser Kompilation nicht fehlen. Man darf getrost davon ausgehen, dass das ein ebenso unterhaltsamer wie inspirierender Konzertabend wird.
Markus Dippold
Zürcher Kammerorchester // 8. Februar / Liederhalle, Beethoven-Saal / Karten für Mitglieder: 39-67 Euro, Freier Verkauf: 48-83 Euro, Ermäßigung für Schüler:innen und Studierende