Wie geht es Ihnen?
Wir haben unsere Kulturpartner gefragt, was die aktuelle Situation für sie bedeutet.
Die Kultur steht nicht still, weil sie das gar nicht kann. Auch wenn die Theater- und Konzertsäle sich noch nicht für das Publikum öffnen dürfen, wird hinter den Kulissen fieberhaft gearbeitet, geplant, produziert. Was die Verantwortlichen derzeit beschäftigt, berichten sie hier.
Die Staatstheater Stuttgart befinden sich seit dem 10. März 2020 in einer surrealen Situation. Es gibt einen lange im Voraus entwickelten Spielplan, aber an keinem Abend hebt sich der Vorhang. Das hat es so seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben.
Eine Herausforderung für uns als Theaterschaffende, die wir die plötzliche Ferne zu Ihnen, unserem treuen und interessierten Publikum, sehr schmerzhaft spüren. Wir vermuten, Ihnen geht es umgekehrt dabei ganz ähnlich. Andererseits haben natürlich der Schutz der Künstlerinnen und Künstler, der Belegschaft und des Publikums eine herausragende Bedeutung. Insofern war es absolut geboten und verantwortungsvoll, keinerlei unbekannte Risiken für die Gesundheit einzugehen und den Spielbetrieb erst einmal zu unterbrechen. Es ist aber ein Zustand, der so nicht von Dauer sein kann, nicht sein darf. Durch strikte Umsetzung von Hygienekonzepten und Abstandsregelungen konnten wir fast alle Beschäftigten zur Aufrechterhaltung unserer Betriebsfähigkeit weiter beschäftigen. Und wir haben mittlerweile fast 10 000 Behelfs-Masken für Arztpraxen und andere Einrichtungen hergestellt. Das ist nun auch eine Zeit des gelebten Gemeinwohls.
Mit optimistischem Blick nach vorne geht es für uns nun darum, einen progressiven Weg zurück zu einer öffentlich wirksamen künstlerischen Arbeit auch unter allmählicher und wachsender Beteiligung des Publikums zu gehen. Dabei stehen wir in einem engen und vertrauensvollen Dialog mit den politisch Verantwortlichen in Land und Stadt. Wir werden in der kommenden Zeit neue und spannende Formate erleben, ungewohnte Sichtweisen und Eindrücke gemeinsam erfahren. Wir arbeiten intensiv an Ideen für das künstlerische Geschehen auf den Bühnen, die für uns alle erst einmal ungewohnt sein werden. Und natürlich auch an einem Abstands- und Sicherheitskonzept für unser Publikum. Damit wir Sie bald wieder in unseren Spielstätten willkommen heißen können. In diesem Sinne: Bitte seien Sie achtsam, bleiben Sie gesund!
Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsführender Intendant der Staatstheater Stuttgart
Gefragt von der Kulturgemeinschaft: „Wie ergeht es eigentlich der SKS Russ in der Krise?“, können wir heute ganz nüchtern feststellen: Diese Saison ist gelaufen. Es wird kein Finale geben, und unsere Arbeit besteht seit einiger Zeit darin, verlegte Konzerte erneut zu verlegen …
Da dies nur begrenzt Freude bereitet, schauen wir nun nach vorne. Es zeigt sich zwar noch kein Licht am Ende des Tunnels, aber wir sind mittlerweile zuversichtlich, dass wir uns in einem solchen befinden und noch nicht am Ende der Zeit! Ab jetzt bereiten wir uns auf den 75. Geburtstag der Konzertdirektion Russ vor. Nach den derzeit gültigen Vorgaben wird das eine sehr intime Veranstaltung – da reicht dann schon eine gute Kiste Wein für ein berauschendes Fest.
Wenn der weitere Plan aufgeht, beginnt dann mit ein paar Tagen Respektabstand hinter dem 31. August, auf den ja auch viele Kollegen hoffnungsvoll hinleben, unsere SKS Russ Jubiläums-Saison. Zusammen mit den Nachholterminen gibt das eine ganz besondere Spielzeit, mit so vielen Veranstaltungen wie selten zuvor: Wir freuen wir uns auf über fünfzig Konzerte, vom A-cappella-Programm bis zu internationalen Spitzenorchestern, und auf großartige Solistinnen und Solisten. Und auf unser treues und unglaublich solidarisches Publikum. Dass wir dabei in der Reihe „Faszination Klassik“ auch weiterhin mit der Kulturgemeinschaft zusammenarbeiten, ist gut – und in dieser Zeit, in der wir auf den Zusammenhalt der Kulturinstitutionen bauen müssen, besonders wichtig.
Das SKS-Büro betreiben wir seit Wochen in Kammerbesetzung mit drei bis vier Mitspielern und leider ohne Live-Publikum, dafür mit vielen aufbauenden Anrufen unserer Kundinnen und Kunden, denen wie uns die echten Konzertabende fehlen, die den Austausch mit Gleichgesinnten vermissen und auch durch digitale Angebote am heimischen PC nicht mehr so richtig „satt“ werden. Wir tun alles dafür und hoffen, dass mit der nötigen Achtsamkeit und Konsequenz der Spuk bald unter Kontrolle ist und das Musikleben wieder aufblüht.
Michaela Russ, Geschäftsführerin der SKS Erwin Russ GmbH
In Zeiten von Klimakatastrophe und Corona-Pandemie stellt sich uns allen die Frage nach einem Weg aus diesen furchtbaren Bedrohungen. Die eine globale Gefahr ist uns ja derzeit nicht so präsent. Das tödlich hohe Fieber der Erde ist plötzlich weniger wichtig als die eigene Temperatur. Und doch hängt alles zusammen. Je weiter sich unsere Tierfutter-Plantagen in die letzten Regenwälder und Dschungel fressen, desto mehr dort existierende Viren springen auf den Menschen, ja die Menschheit über. Und die nächste Viren-Invasion frisst sich durch die Völker der Welt.
Theatermachen in diesen Zeiten heißt für uns deshalb, diese brisanten Themen in geeigneter Form aufzugreifen, und das spiegelt sich in unseren Stücken wider. Immer sind Menschen im Konflikt mit den Zeiten und mit sich selbst, geben sich nicht zufrieden mit einem „weiter so!“
Und gerade jetzt darf es nicht so weitergehen: Wir stehen am Abgrund, die Zehenspitzen schauen schon darüber. Wir sind dabei, unsere Heimat, den Planeten Erde und damit auch uns zu vernichten. „Homo non sapiens“ verspielt sein Glück, wenn er es nicht schafft, ein global verantwortliches Bewusstsein für gemeinsame humane Ziele zu entwickeln und sich nicht nur vom kurzen Rauschglück des Konsums betäuben zu lassen. Aufbauprogramme für eine Ökonomie, die dem Wohle aller dient, die wären das Gebot der Stunde. Denn sonst taumeln wir weiter von Pandemie zu Pandemie, wie im Koma tanzend auf der immer heißer werdenden Erde.
Ich schreibe gerade an einem unter Corona-Schutz-Bestimmungen aufführbaren Stück. Der Titel: „Tag der Frauen“. Es spielt am Internationalen Frauentag in Stuttgart und im zweiten Teil dreißig Jahre später. Wie könnte die Welt im Jahre 2050 aussehen?
Den Sommer über werden wir im Freien spielen. Natürlich unter Einbehaltung der Bestimmungen, die sich an der frischen Luft sehr gut umsetzen lassen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Ihnen unter freiem Himmel!
Edith Koerber, Intendantin des Theaters Tri-Bühne
„Heute schon an morgen denken!“ Das ist unser Motto inmitten der Corona-Pandemie. Wir bleiben zuversichtlich. Das scheint uns das Gebot der Stunde zu sein. Die Unterbrechung des Spielbetriebs ist aus gesundheitlichen Gründen richtig. Aber unser Publikum fehlt uns sehr. Es gibt doch nichts Schöneres als einen Theatersaal voller Menschen, die gemeinsam lachen, weinen, schmunzeln und mitklatschen. Die Nähe, die Wärme und die täglichen Gespräche sind durch nichts zu ersetzen.
Natürlich haben wir kulturelle Online-Angebote für unser Publikum entwickelt, darunter die Streams erfolgreicher Inszenierungen und den ersten Podcast der Schauspielbühnen. „Misery“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Steve King hatte schon über 33 000 Besucher! Das sind die stillen Erfolge, die wir der aktuellen Situation abgewinnen. Aber wir sehnen uns zurück nach dem täglichen Spielbetrieb im Alten Schauspielhaus und in der Komödie im Marquardt. Denn nur hier ist die Bühnenkunst live zu erfahren, nur hier ist ihr eigentlicher Zauber mit allen Sinnen erlebbar.
Zum Glück erfahren wir in dieser Zeit viel Unterstützung. Unsere Abonnentinnen und Abonnenten halten uns ebenso die Treue wie viele Kartenbesitzerinnen und -besitzer, denn sie wissen, dass wir als Publikumstheater von unseren Einnahmen abhängig sind. Diese Spielbetriebsunterbrechung fordert uns viel ab. Ein großer Teil unserer Belegschaft ist in Kurzarbeit und wir müssen jeden Cent sparen, um die Krise zu überstehen. Darum sind wir auch über die Bereitschaft unseres Publikums, Karten in Gutscheine umzuwandeln oder auch Geld zu spenden, sehr glücklich.
Wann und unter welchen Bedingungen wir den Spielbetrieb wieder aufnehmen können, hängt von den Entscheidungen der Landesregierung ab. Darum überlegen wir uns für jedes nur denkbare Szenario einen eigenen Spielplan.
Und wir entwickeln Sicherheitskonzepte für unser Publikum, damit jeder von Ihnen sorglos zu uns ins Theater kommen kann, sobald sich der Vorhang wieder hebt. Darum: Bleiben Sie uns gewogen und schließen Sie sich unserem Motto an: „Heute schon an morgen denken!“
Axel Preuß, Intendant der Schauspielbühnen in Stuttgart