Von Schweden bis zum Südpol und nach Nordkorea
Vorschau auf die Reihe »Universum Tanz« im Ludwigsburger Forum am Schlosspark
Ein reiches Spektrum an Stilen und Gedanken bietet auch in der nächsten Spielzeit wieder die Tanzreihe im Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Mit der trefflichen Auswahl des künstlerischen Leiters Lucas Reuter gehört sie zu den interessantesten und am reichsten bestückten Gastspielreihen in Deutschland – Tanzfans in Berlin oder München würden sich glücklich schätzen, könnten sie so viele Compagnien von dieser Qualität in einer Spielzeit sehen. Mit der gemeinsamen Reihe „Universum Tanz“ ist die Kulturgemeinschaft bei allen acht hochkarätigen Gastspielen aus der ganzen Welt dabei, die Vielfalt reicht vom Tanztheater über die abstrakte Moderne bis hin zum Literaturballett.
Den ehemaligen Stuttgarter Choreografen Marco Goecke bringt das NDT 2 zurück: „Wir sagen uns Dunkles“ ist von einem Gedicht Paul Celans inspiriert. Die Juniorencompagnie des Nederlands Dans Theater hat außerdem ein Stück von Johan Inger und einen Klassiker des einstigen Gründervaters Hans van Manen im Gepäck. Der eigenwillige Schwede Johan Inger kreiert auch einen brandneuen „Don Juan“ für das italienische Aterballetto, holt den ewigen Verführer zu Musik von Gluck und Mozart in die Moderne. Wie urteilt die Gesellschaft heute über ihn?
In die Sommersonnenwende tanzt das Dortmunder Ballett: Mit dem grotesken Witz des Nordens, mit surrealen Bildern und reichlich Heu auf der Bühne feiert Alexander Ekman einen wild-fantastischen „Mittsommernachtstraum“. Dann lässt ein arabischstämmiger Choreograf zu einer katholischen Messe über die Liebe tanzen: „Wahada“ heißt „Versprechen“, und das löste Wolfgang Amadeus Mozart mit der Komposition seiner c-Moll-Messe ein, weil seine Frau wieder gesund wurde. Abou Lagraa kombiniert zeitgenössischen Tanz, Ballett und Hip-Hop, das Ballet du Grand Théâtre aus Genf bringt außerdem ein Werk von Andonis Foniadakis zu Musik von Philip Glass. Mit asiatischen Fächertänzen und strammen Militärparaden zeigt die Südkoreanerin Eun-Me Ahn den Tanz in der anderen Hälfte ihres Landes: „North Korea Dance“ ist von der Sehnsucht nach einer ungeteilten Heimat geprägt und schildert grell und sublim, mit Witz und Tragik die Brüche zwischen Diktatur und Tradition.
Die Schwerkraft ist das, was Tänzer ständig zu überwinden versuchen; Angelin Preljocaj aus Frankreich hat ihr mit „Gravité“ einen ganzen Abend gewidmet. Getanzt wird auf Spitze und mit barfüßiger Bodenhaftung, zu Barockmusik wie Techno-Rhythmen. Das Stück ist in eine elegante Schwarzweiß-Ästhetik gehüllt, Maurice Ravels „Bolero“ setzt das Ausrufezeichen am Schluss. Vom Südpol und vom Klimawandel berichtet das Australian Dance Theatre in „South“: Direktor Garry Stewart geht an die Grenzen unserer Welt und lässt die Elementarkräfte der Natur auf die Körper der Menschen wirken. Mit „Anna Karenina“ schließlich kehrt ein weiterer verlorener Sohn aus Stuttgart zurück: Christian Spuck schuf die Literaturadaption nach Leo Tolstoi für sein Zürcher Ballett, wo sie seit 2014 Triumphe feiert. Zu Musik von Sergej Rachmaninow und Witold Lutoslawski, mit emotionalen Pas de deux und in prachtvollen Kostümen zeigt er die bedingungslose Liebe der Protagonistin und die Verachtung der Gesellschaft für die Ehebrecherin.
Angela Reinhardt