Mit dem Rücken zum Publikum
Drei Fragen an Robert Trevino
Er ist eines der gefragtesten Talente der jüngeren Dirigentengeneration: Am 29. November dirigiert Robert Trevino das SWR Symphonieorchester in der Liederhalle. Auf dem Programm steht Mozarts Haffner-Sinfonie, Bartóks 2. Klavierkonzert mit der Solistin Yulianna Avdeeva sowie die 1. Sinfonie von Anton Bruckner.
Wie wurden Sie Dirigent, und was macht einen großen Dirigenten aus?
Das ist eine lange Geschichte. Schon mit acht Jahren wollte ich Musiker werden. Ich saß mit meinem Vater zusammen, im Radio hörten wir Mozarts Requiem, und das war meine Initiation, eine Art Urknall für mich. Als ich neun war, sah ich einen Dirigenten im Fernsehen, schon mit 13 begann ich mit dem Studium, und im Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren gab es die ersten Konzerte. Was ist ein großer Dirigent? Da gibt es viele verschiedene Antworten, aber für mich ist das vor allem eine Frage der Werte. Meine Aufgabe ist es, die Ideen der Komponisten an spätere Generationen weiterzugeben. Ich bin dazu da, einem Publikum den Zugang zu ihrer Musik zu öffnen. Es braucht dafür nicht notwendigerweise eine perfekte Schlagtechnik. Aber natürlich verlangt es gründliches Studium der Partituren und Reichtum an Erfahrung.
Wenn man Ihren Konzertkalender als Chefdirigent des Baskischen Nationalorchesters und des Malmö Symphony Orchestra sowie Ihre Auftritte mit internationalen Orchestern betrachtet, ist man erstaunt über die Breite und Vielfalt Ihres Repertoires. Haben Sie auch Lieblingskomponisten?
Eigentlich nicht. Aber es gibt manche wie Schostakowitsch, Bruckner, Mahler, Strauss, die ich öfter dirigiere als andere. Bartók, dessen 2. Klavierkonzert in Stuttgart auf dem Programm steht, habe ich erst in den letzten Jahren für mich entdeckt. Früher sagte er mir nichts, ich brauchte Unterstützung von einigen Bartók-Experten. Nun bin ich ein glühender Anhänger. Mozart dagegen war meine erste Liebe. Ich dirigiere ihn nicht so oft, denn ich brauche viel Vertrauen in die Musiker, mit denen ich ihn aufführe. Doch mit dem SWR Symphonieorchester, das ich schon letztes Jahr dirigierte, spürte ich sofort gegenseitiges Vertrauen. Es geht mir nicht darum, ob meine Mozart- Interpretation besser ist als andere, aber sie muss stimmen. Bruckner, dessen 1. Sinfonie wir spielen, schätze und bewundere ich schon lange.
Wie vermitteln Sie Musik an Ihr Publikum?
Das ist eine interessante Frage, besonders an einen Dirigenten, der mit dem Rücken zum Publikum steht. Ich frage mich, was ein Komponist aussagen möchte. Aber ich überlege mir nie, wie das Publikum reagieren wird. Ich fühle mich im Dienst am Komponisten und versuche den tiefsten Eindruck seiner Musik an ein unbekanntes Publikum zu vermitteln, so ehrlich ich das vermag. Wenn es mir gelingt, kann ich die Zuhörer und die Musiker zu einer Einheit zusammenbringen. Überlegen Sie mal: Bei Bruckner sitzen 88 Musiker auf der Bühne, das hat ungeheure Macht. All diese Menschen, nur mit der Musik und mit nichts anderem an diesem Ort: Wie oft erlebt man einen solchen Augenblick des Zusammenseins – einfach da zu sein!
Die Fragen stellte Dietholf Zerweck