Geschärfte Sinne und Ekstase
Im September beginnt das neue Kunst-Abo – Vorfreude steht schon jetzt auf dem Programm
Michael Wenger vom Kunstbüro hat gemeinsam mit einem Team von KunstexpertInnen das Angebot für die kommende Spielzeit entwickelt. Im Gespräch mit Angelika Brunke macht er Lust auf die neue Saison.
Herr Wenger, gleich beim ersten Durchblättern des neuen Programms erwartet die AbonnentInnen eine Überraschung: Das Kunst-Abo ist nun in drei Kapitel unterteilt ...
Ja. Bislang gab es nur »Kunst-Abo« und »Baugeschichten «. Das hat für Verwirrung gesorgt. Immer wieder haben Teilnehmer gefragt: »Ich hab’ das Kunst-Abo – kann ich auch eine Veranstaltung aus den Baugeschichten buchen?« Das haben wir nun übersichtlicher gestaltet. »Kunst-Abo« ist jetzt der Überbegriff. Sie können nach Belieben Veranstaltungen aus den Kapiteln »Themenführungen «, »Baugeschichten« und »Ausstellungsführungen « kombinieren.
In der letzten Spielzeit haben Sie Schwerpunktthemen eingeführt, durch die Bezüge zwischen verschiedenen Veranstaltungen sichtbar werden. Wie kam das bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an?
Sehr gut! Genau das ist es ja, was viele unserer AbonnentInnen suchen: Sie möchten Anknüpfungspunkte zwischen den Themen und Werken entdecken. Solche Entdeckungen beflügeln. Deshalb ziehen wir mit den Schwerpunktthemen ganz bewusst Verbindungslinien. Im gedruckten Jahresprogramm erkennen sie diese Themen an den Blüten-Buttons.
Eines der Schwerpunktthemen lautet »Umbruch 1918/19«. Was steckt dahinter?
Das Ende des Ersten Weltkriegs liegt 2018 genau einhundert Jahre zurück. Es markiert für unsere Gesellschaft einen radikalen Umbruch. Das Vertrauen in die alte soziale und politische Ordnung war zerstört. Es entstand ein vollkommen neues Menschenbild. Wir knüpfen mit diesem Schwerpunkt ein Band zwischen zehn Veranstaltungen: Dazu gehört unter anderem eine zweiteilige Themenführung zu Wilhelm II., dem letzten württembergischen König, eine Ausstellungsführung im Badischen Landesmuseum zum Thema »Nach der Revolution!«, aber auch ein Vortrag zum »verbalen Krieg« zwischen Thomas und Heinrich Mann.
Ein Vortrag?
Ja, auch das ist neu! Es gibt immer wieder hochinteressante, faszinierende Themen, die sich jedoch nicht für eine Führung eignen – zum Beispiel geisteswissenschaftliche und literarische Fragestellungen. Vorträge bieten uns außerdem die Möglichkeit, unser Spektrum nochmals deutlich auszuweiten und neue Aspekte aufzugreifen. Wir bestuhlen das Foyer in unserer Geschäftsstelle. Man darf sich wirklich freuen: Das werden fachlich sehr reiche und fundierte Abende.
Welches Ziel hatten Sie und das Team der Kulturgemeinschaft bei der Planung des Kunst-Abos vor Augen?
Vielfalt, ganz klar. Unser Ziel ist ein lebendiges, buntes Kunst-Abo, das überrascht. Deshalb sind auch immer wieder Musik und Literatur untergemischt. Zum Beispiel die Veranstaltung »Frauenpower in der Musik« im Fruchtkasten, bei der große Musikerinnen, Komponistinnen und Dirigentinnen vorgestellt werden. Oder die Führung »Thomas Mann in Amerika« im Literaturmuseum in Marbach. Reizvoll wird ganz sicher auch die Veranstaltung »Paris – Bilder einer Stadt«.
Sie haben diesmal eine kleine Reihe im Programm: »Die fünf Sinne«.
Ja, das ist eine schöne Idee von unserem Mitarbeiter Reinhard Strüber. In der Staatsgalerie geht er der Frage nach, wie Künstler sinnliche Wahrnehmung sichtbar machen. Wie stellt man Gestank und Wohlgeruch dar? Wie die Süße einer Frucht? Die TeilnehmerInnen begeben sich in der Staatsgalerie auf eine Reise in ihre olfaktorische, kulinarische und haptische Phantasie. Zunächst einmal kommen der Geschmacks-, der Tast- und der Geruchssinn an die Reihe. Die beiden verbleibenden Sinne sind dann für die nächste Spielzeit reserviert.
Auf was freuen Sie sich persönlich?
Schwierige Frage! Ich greife einfach einmal in diesen bunten Strauß und nehme die Lehmbruck-Ausstel- lung in der Staatsgalerie. Für mich persönlich ist dieser Künstler einer der ganz großen Bildhauer des frühen 20. Jahrhunderts. Seine Werke sind von einer unfassbaren Eindringlichkeit. Wir haben zwei Führungen im Programm – einmal zum plastischen und einmal zum grafischen Werk. Man kann beide verbinden – das nennen wir das »Lehmbruck-Duett«. Auf was freuen Sie sich sonst noch?
Großartig wird sicherlich auch die Ausstellung »Die jungen Jahre der alten Meister« mit Werken von Georg Baselitz, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Anselm Kiefer, ebenfalls in der Staatsgalerie. Die Ausstellung bietet die phantastische Gelegenheit, dieses Quartett zu vergleichen. Man sollte die Gunst der Stunde nutzen.
Mich macht die Veranstaltung »Ekstase in Kunst, Musik und Tanz« neugierig ...
Zu Recht! Das Kunstmuseum greift damit ein spannendes Thema auf. Es geht um den emotionalen Vulkanausbruch, der gesellschaftliche Fesseln sprengt – im Tanz, im Theater, in der Musik, in der Kunst. Ekstase kann positiv sein oder in den Untergang führen.
Die Auswahl der Veranstaltungen fällt gar nicht leicht ...
Dann stocken Sie am besten zur nächsten Kategorie auf! Das ist jederzeit möglich. Oft bergen gerade die Veranstaltungen, die man aus einem spontanen Impuls mitgebucht hat, die größten Überraschungen. Probieren Sie’s aus!