Er sagt Nein zum Geld
Warum immer mehr? Flavia Costes Komödie fragt nach den Grenzen des Wachstums
Auch mal Nein sagen zu können, das gilt weithin als Stärke. Wenn man abends Nein zum lieblich lockenden Stück Schokolade im Kühlschrank sagt. Oder wenn man in der Kneipe Nein zum Kumpel sagt, der um kurz vor Mitternacht noch eine Runde Bier bestellen möchte, obwohl man doch am nächsten Tag zur Arbeit muss. Zum Geldverdienen. Zum Geld nämlich können die wenigsten Nein sagen. In Flavia Costes »Nein zum Geld!«, das ab Ende Oktober im Alten Schauspielhaus zu sehen ist, tut ein Mann aber genau das. Richard heißt er und arbeitet als Architekt. Nebenbei spielt er seit vielen Jahren Lotto. Bei einem Abendessen mit Frau Claire (Alina Rank), seiner Mutter (Andrea Wolf) und dem besten Freund Etienne (Oliver Jaksch) verkündet er, dass er das große Los gezogen hat: 162 Millionen Euro beschert ihm sein Schein. Die Sippe dreht durch. Allerdings nicht wegen des Gewinns. Sondern weil Richard die Kohle nicht abholen wird. Es gehe ihm doch auch so einwandfrei. Hier scheint das Nein plötzlich nicht länger von Stärke zu zeugen. »Eingeliefert gehörst du!«, brüllt die verständnisvolle Ehefrau.
Im Kapitalismus ist das natürlich auch ein Unding. Nachgerade Blasphemie! Da lehnt der Mann einfach den heiligen Mammon ab, den der Rest der Welt anbetet. Das macht das Stück so interessant. In der Inszenierung von Schirin Khodadadian mimt Ralf Stech diesen unkonventionellen, durchaus bewundernswerten Richard, der dem Multimillionärsdasein entsagt. Seine Entourage bewundert ihn allerdings nicht, sondern hält ihn für bestusst. Jede und jeder hegt offene Wünsche, die sich mit den Euronen erfüllen ließen. Allein: Dafür müssen sie irgendwie an Richards Quittung gelangen.
Doch das wäre Diebstahl, oder nicht? Selbst wenn jemand etwas gar nicht besitzen möchte, darf man’s ihm nicht einfach nehmen. Deshalb ist es auch strafbar, die mit schweren Schlössern gesicherten Mülleimer der Supermarktketten zu plündern. Überfluss bedeutet ja nicht gleich, dass auch jeder etwas abhaben darf. Das macht unser famoses Wirtschaftssystem so unwiderstehlich.
Freilich bedeutet dieses Nein zum Geld auch eine Absage an ebenjenes System, ans Wachstumsdenken, ans verschwenderische Leben in Saus und Braus – welches verrückterweise als erstrebenswert gilt, obzwar es doch unseren Planeten zerstört, notwendigerweise ärmere Menschen ausbeutet und auch die Vermögenden letztlich kaum glücklicher macht. Dieser Gedanke steckt ebenfalls im Stück: Ein Nein zum Geld ist vielleicht ein Ja zur Freiheit.
Cornelius W. M. Oettle