Ein Konzerthaus für Stuttgart
Die Sprecher der »Konzerthaus-Initiative« erläutern ihre Vorhaben und Ideen
Die Konzerthaus-Initiative für Stuttgart hat sich Mitte März der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Bündnis, dem auch die Kulturgemeinschaft angehört, setzt sich für den Bau eines neuen Konzerthauses als lebendiges Musikzentrum in Stuttgart ein. Wir haben die Sprecher der Initiative gebeten, ihre Gründe, ihre Ziele und ihr Vorgehen zu erläutern. Unsere Redakteurin Ute Harbusch sprach mit Felix Fischer, dem Manager des SWR Symphonieorchesters, und mit den beiden Kulturmanagern Ralf Püpcke und Gernot Rehrl.
Was muss man sich eigentlich unter der »KonzerthausInitiative« vorstellen?
Ralf Püpcke: Die Vertreter der wichtigsten Veranstalter, Musik-Institutionen und potentiellen Nutzer eines attraktiven modernen Konzerthauses in Stuttgart haben sich zu einer Konzerthaus-Initiative zusammengeschlossen. Im Dialog mit der Stadt Stuttgart soll beratend und unterstützend der Bau eines neuen Konzerthauses konzeptionell und finanziell vorangetrieben werden. Wir sehen in der Dynamik der aktuellen Diskussion die einmalige Chance für den Bau eines neuen Konzerthauses in Stuttgart als lebendiges Musikzentrum. Mittlerweile engagieren sich 22 VertreterInnen von 18 Veranstaltern und Musik-Institutionen.
Warum braucht Stuttgart ein neues Konzerthaus, wo derzeit mit der Opernsanierung ohnehin ein nicht ganz einfaches Problem auf dem Tisch liegt?
Gernot Rehrl: Konzerthäuser gehören zur wirtschaftlichen und kulturellen Positionierung einer Stadt von Rang. Die Beispiele aus jüngster Vergangenheit wie die Hamburger Elbphilharmonie belegen das eindrücklich. Zudem befinden sich die Städte überregional in einem Konkurrenzkampf um die Attraktivität ihres Angebotes. Das neu entstehende Konzerthaus in München beispielsweise wird sich – neben dem dann renovierten dortigen Gasteig – dahingehend auch für Stuttgart auswirken.
Felix Fischer: Die positiven Auswirkungen eines attraktiven Kulturlebens mit der entsprechenden repräsentativen Architektur auf die touristische Anziehungskraft einer Metropole sind vielfach belegt. Im Zusammenhang mit der Opernsanierung und der alternativen Idee eine neue Oper zu bauen sei noch erwähnt, dass der Littmannbau kein geeigneter Konzertsaal wäre.
Wie sollte ein Konzerthaus denn aussehen?
Felix Fischer: Der Kern des Konzerthauses ist ein akustisch erstklassiger großer Konzertsaal mit rund 1700 Plätzen. Der Konzertsaal dient ausschließlich dem Zweck des Konzertbetriebs, ist die Spielstätte der Stuttgarter Orchester und steht neben der Klassik auch anderen hochwertigen Musikdarbietungen zur Verfügung. Ergänzend dazu wird ein zweiter, kleinerer Saal mit variabler Bühne angeboten, zur Nutzung durch kleinere Ensembles und Musikgruppen verschiedenster Art.
Ralf Püpcke: Das Publikum der Zukunft sucht auch ein »Gesamterlebnis«, das »Event«. Dazu gehört die Nähe zum Spielgeschehen im Saal, die architektonische Attraktivität, ein Raumangebot für Rahmenaktivitäten rund um die Konzerte, ein attraktives gastronomisches Angebot und die akustische Perfektion. Die Teilhabe an Musik und ihren unterschiedlichsten Angeboten muss in einem offenen, der Stadtgesellschaft zugewandten Konzerthaus allen Bürgern ermöglicht werden, unabhängig von Herkunft, Alter oder Bildung. Gernot Rehrl: Wir denken deshalb an ein offenes, lebendiges Musikzentrum, dessen zusätzliche Räumlichkeiten in und um das Gebäude zur ganztägigen Nutzung einladen. Dafür haben wir als ersten inhaltlichen Schritt einen »Dreiklang der Anforderungen« erarbeitet und sowohl der Stadtspitze als auch den Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat präsentiert.
Welcher Standort wäre Ihrer Meinung nach am besten dafür geeignet?
Felix Fischer: Ein Konzerthaus als lebendiges Musikzentrum gehört bevorzugt in die Innenstadt. Für einen alternativen Standort außerhalb müsste man entsprechende Infrastruktur schaffen, zudem sollte das Umfeld von hoher Attraktivität sein. Die Stadt hat erste Standort-Vorschläge präsentiert, u nter anderem im Umfeld d er Liederhalle, neben dem Hauptbahnhof oder im Rosensteinquartier.
Gernot Rehrl: Es wurden aber auch andere Ideen seitens der Fraktionen geäußert, zum Beispiel eine Neckarphilharmonie in der Nähe zum Daimler Museum. Auch der Akademiegarten oder das Züblin Parkhaus beim Leonhardsviertel wurden genannt. Wir sind zunächst offen und werden Standorte nicht gleich bewerten und ausschließen, denn die realistische Auswahl wird so groß nicht sein, um eine solche »Kulturimmobilie« in den nächsten zehn Jahren realisieren zu können.
Was soll mit der Liederhalle geschehen, deren Akustik – wie von Fachleuten zu hören ist – gar nicht schlecht ist?
Felix Fischer: Zunächst gilt es ein rein praktisches Alltagsproblem festzuhalten. Die Termin-Nachfrage in der Liederhalle übersteigt das Angebot freier Termine bei weitem. Das reiche Angebot der Musikstadt Stuttgart bedarf dringend einer Erweiterung nutzbarer Spielstätten. Die Liederhalle hat eine gute Akustik und kann deshalb als zweite Spielstätte vielseitig genutzt werden, vergleichbar zur Laeiszhalle Hamburg, die aufgrund einer neuen Dynamik im dortigen Musikleben sogar profitiert.
Gernot Rehrl: Konkret denken wir für die Weiternutzung der Liederhalle an Nutzer, die bisher aufgrund mangelnder Kapazitäten grundsätzlich keinen Zugang gefunden haben. Für Veranstalter der Pop- und Rock-Szene sowie der Unterhaltungsbranche bietet der Beethoven-Saal bei Nichtbestuhlung des Parketts insgesamt Platz für rund 3200 Besucher. Auch den vielen Vereinen, Chören und Orchestern der Laienmusik oder Kongressen mit Bühnenprogramm bieten sich neue Termin- und Raumoptionen.
Das kann doch aber nur dann gelingen, wenn nicht allein die Politik, sondern auch die Bürgerschaft »mitgenommen« wird. Wie wollen Sie das erreichen?
Ralf Püpcke: Das ist ein wichtiger Punkt unserer Arbeit. Momentan sind wir dabei eine zentrale Geschäftsstelle einzurichten, um die vielfältigen Aufgaben koordiniert zu bewältigen. Zunächst soll eine standortunabhängige Konzeption erstellt werden. Dieser Prozess soll in Kooperation und Abstimmung mit den potentiellen Nutzern und Entscheidungsträgern von Politik und Verwaltung gestaltet werden, aber auch im Dialog mit der Öffentlichkeit. Denn wir fragen uns natürlich: Was erwartet unser Publikum von morgen? Und um allen Interessierten und Unterstützern eine Heimat zu bieten, wollen wir bis Herbst 2019 den gemeinnützigen Verein »Konzerthaus-Initiative Stuttgart e. V.« gründen.