Der Hoppenlaufriedhof
Eine geschichtsträchtige Oase inmitten der Innenstadt
Auf den Spuren von Schubart, Dannecker und Emilie Zumsteeg
Ein wenig versteckt hinter der Liederhalle befindet sich ein Kleinod der Stuttgarter Friedhofskultur. Der Hoppenlaufriedhof wurde 1626 zur Pestzeit angelegt und nach dem Flurnamen “Hoppenlau“ benannt. Von 1628 bis 1880 wurden hier die Heroen der Stuttgarter Kultur- und Geistesgeschichte beerdigt. Das 20. Jahrhundert meinte es zunächst nicht gut mit dem Hoppenlaufriedhof:
Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde er als Lagerplatz für Trümmerschutt verwendet. 1952 instandgesetzt, opferte man zwei Jahre später einen Teil des Friedhofs für den Bau des Max Kade Hauses. Das ursprüngliche Portal ist heute im Städtischen Lapidarium zu bewundern. Im Zuge der Bundesgartenschau 1961 wurde der Friedhof zu einer Parkanlage umgestaltet, was zu einer Versetzung zahlreicher Grabsteine führte. Diese Eingriffe fanden ein Ende, als man den verbleibenden Rest der Anlage 1963 unter Denkmalschutz stellte.
Seitdem wurde der Friedhof in Abständen saniert: Bereits zwischen 1983 und 1991 wurden 6,5 Millionen Euro investiert, um den einzigartigen Bestand an Gräbern für die Nachwelt zu erhalten. Wind, Feuchtigkeit und Kälte hatten an ihnen genagt und die Lesbarkeit der Inschriften beeinträchtigt. Besonders betroffen waren die Steine, die im Schatten der Bäume standen und daher nicht mehr richtig austrocknen konnten: Entfernte man das Moos, bröselte der Stein.
Seit 2015 ist eine erneute Restaurierung der Gräber nötig. Diese erfolgt in mehreren Schritten: Nachdem die Steine mit Dampf von Moos, Flechten und Algen gereinigt worden sind, bessern die Restauratoren die entstandenen Schäden aus. In einem weiteren Schritt werden den Steinen Schadstoffe durch Kompressen entzogen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, den Salzgehalt im Boden zu prüfen. Um sie vor künftigen Schäden zu schützen, werden die Grabsteine schließlich mit wasserabweisenden Substanzen stabilisiert.
Im Februar dieses Jahres konnten die Konservierungsmaßnahmen an den Grabmalen auf dem jüdischen Friedhofsteil beendet werden. Die Restaurierung aller 1600 Grabmale soll 2024 beendet sein.
Momentan wird das Feld restauriert, in dem sich das Grab von Johann Heinrich Dannecker befindet. Dieser gehörte neben Canova und Thorvaldsen zu den bedeutendsten Bildhauern des Klassizismus. Ausgebildet an der Hohen Carlsschule, unterrichtete er ab 1790 selbst als Professor an dieser international bedeutenden Bildungsanstalt, die nach dem Tod Herzog Carl Eugens wieder geschlossen wurde. Auch das Schicksal von Christian Friedrich Daniel Schubart ist eng mit dem Herzog verbunden: Zunächst für zehn Jahre ohne Urteil auf dem Hohenasperg inhaftiert, wurde er vier Jahre vor seinem Tod zum Musik- und Theaterdirektor in Stuttgart ernannt.
Während Schubarts schlichter Grabstein kaum ins Auge fällt, überrascht das aufwendige Denkmal für Emilie Zumsteeg. Entworfen vom Architekten Christian Leins wurde es ein Jahr nach ihrem Tod feierlich eingeweiht. Die Tochter des Hofmusikers Johann Rudolf Zumsteeg machte eine steile Karriere in Württemberg: von ihr stammen sowohl der musikalische Nachruf auf Königin Katharina als auch das Wiegenlied „Schlaf holder Königsknabe“ anlässlich der Geburt des Thronfolgers Carl.
Als Dank für ihre Verdienste erhielt sie ein Jahresgehalt von König Wilhelm I. Weniger Glück hatte Luise Duttenhofer: Da sie als Pfarrerstochter keine künstlerische Ausbildung erhielt, verlegte sie sich aufs Scherenschneiden, das man den Frauen als Freizeitbeschäftigung zugestand. Obwohl sie inzwischen als eine der bedeutendsten deutschen Scherenschnittkünstlerinnen gilt, nahm sie zu Lebzeiten nur an zwei Ausstellungen teil. Neben Luise Duttenhofer und Emilie Zumsteeg gehörte auch Agnese Schebest zu den starken Frauen, die versuchten, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren eigenen Weg zu gehen. Gefeiert als eine der berühmtesten deutschen Bühnensängerinnen ihrer Zeit, machte sich Schebest bald selbständig, da sie die Intrigen und Schikanen an den Hofbühnen verabscheute. Ihre Karriere fand ein jähes Ende, als sie 1842 den Schriftsteller David Friedrich Strauß heiratete.
Sucht man nach dem Grab von Agnese Schebest, wird man auf dem Hoppenlaufriedhof nicht fündig. Es wurde genauso aufgelöst wie das Grab von Johann Friedrich von Cotta, der Stuttgart zum verlegerischen Mittelpunkt der Literatur der deutschen Klassik machte. 1807 gründete er das „Morgenblatt für die gebildeten Stände“, für das neben Goethe auch Mörike und Heinrich von Kleist schrieben. Wilhelm Hauff übernahm 1827 für kurze Zeit die Redaktion des Morgenblattes, bevor er unerwartet im Alter von 25 Jahren starb.
Auf seinem Grab findet sich nicht nur ein Felsblock vom Lichtenstein sondern auch eine Leier, die mit einem Kranz geschmückt ist. Auch Gustav Schwab, der zwischen 1818 und 1837 beratend für Johann Friedrich von Cotta tätig war, wird mit einem imposanten Denkmal geehrt.
Zehn Jahre bevor der Friedhof für Erdbestattungen geschlossen wurde, setzte man die Brüder Erich und Axel von Taube unter großer Anteilnahme der Stuttgarter Bevölkerung bei. Die jungen Adeligen, die im Kampf gegen Frankreich gefallen waren, wurden zum Sinnbild für Heldenmut, Patriotismus und brüderliche Loyalität.
Katja Nellmann