Das Bauhaus tanzt
Das Stuttgarter Ballett feiert 100 Jahre Bauhaus und Weimarer Verfassung
In Weimar konstituierte sich 1919 die erste deutsche Demokratie, in Weimar begründete Walter Gropius 1919 das Bauhaus und damit eine neue Ästhetik. Kann man zu diesen Themen Ballett tanzen? Und wie: Zum 100-jährigen Jubiläum zeigt das Stuttgarter Ballett in drei Uraufführungen die Aufbruchsstimmung der damaligen Zeit und die Energie einer Jugend, die den Wandel will – mit einer stürmischen Studie über die Kraft des Aufstands, mit bildhaften Anspielungen auf die Handwerkskunst des Bauhauses und mit einer Hommage an dessen klare, abstrakte Ästhetik. Getanzt wird im Schauspielhaus auf Spitzenschuhen, in Schläppchen und barfuß, Denkanregungen gibt es reichlich in den ganz unterschiedlichen Stücken, die zu verschiedenen Arten von Minimal Music getanzt werden.
Am direktesten erinnert Katarzyna Kozielskas Stück »IT.Floppy.Rabbit« an den Bauhaus-Stil: Als erstes begegnet uns die berühmte Bauhaus- Leuchte von Wilhelm Wagenfeld mit ihrem Halbkugel- Lampenschirm, elegant leuchtet sie auf dem Körper einer Tänzerin durchs Stück (Titelfoto). Auch eine Figurine von Oskar Schlemmer schaut per Film vorbei, Stoffmuster und Wand- Elemente aus der damaligen Ästhetik ergänzen den teils abstrakten, teils ins Surreale spielenden Spitzentanz.
Hell und klar strahlt dagegen »Patterns in 3/4« von Edward Clug, dessen geschmeidigen Minimalismus man in Stuttgart bereits von mehreren Stücken kennt. Hohe weiße Winkel fahren über die Bühne, geradezu verspielt durchlaufen die kurzen, fließenden Bewegungen die Körper der Tänzer, als hätte Clug ein Perpetuum mobile in Gang gesetzt. Wie aufgezogen schnurrt das Spiel mit der Geometrie dahin, ironische Pointen setzen kleine Widerhaken. Der Choreograf ist ein Meister des Understatements, dabei belässt er den Interpreten stets ihre Menschlichkeit.
Nicht das Bauhaus, sondern den Aufstand gegen eine absolutistische Macht hat Nanine Linning mit ihrem blau leuchtenden »Revolt« im Blick, das Staatsorchester spielt dazu live die donnernde Partitur von Michael Gordon. Die ehemalige Heidelberger Tanzchefin, die durch ihr bilderstarkes Tanztheater international bekannt wurde, zeigt hier Rebellen, die sich mit futuristischen Körperpanzern schützen, die mit fliegenden Armen und festen Schritten nach vorne drängen. Wir sehen, wie Angst und Chaos in Mut übergehen, wie unaufhaltsam der Kampf für Freiheit ist.
Angela Reinhardt