Außergewöhnlich und attraktiv
Ludwigsburger Schlossfestspiele
Es ist die vorletzte Saison von Thomas Wördehoff als Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele, und das von ihm seit 2010 geschaffene, genreübergreifende Konzept ist auch diesmal unverkennbar. Es äußert sich schon mit dem Motto »Ins Ungewisse«, das Wördehoff so definiert: »Kunst ist immer auch ein Gang ins Offene, denn ein kreativer Prozess bedeutet für alle, die sich ihm unterziehen, das Vortasten in ein unbekanntes Terrain. « Grenzgänge zwischen den verschiedenen musikalischen Genres sind Programm, was sich in einigen der von der Kulturgemeinschaft angebotenen Konzerte manifestiert. So zum Beispiel beim Auftritt von Teitur und Nico Muhly mit Holland Baroque im Ludwigsburger Scala Theater. Der Singer-Songwriter von den Faröer Inseln und der amerikanische Komponist und Arrangeur trafen sich vor zwei Jahren im niederländischen Eindhoven und bastelten zusammen an einem Projekt über alltägliche Video-Botschaften. Daraus entstand »Confession«, ein Album, das von Teitur Lassen und Nico Muhly schon im Januar in der Hamburger Elbphilharmonie vorgestellt wurde und nun am 5. Mai den Reigen der »Grenzgänge « beim Ludwigsburger Festival eröffnet. Auch der syrische Klarinettist Kinan Azmeh und der aus Sri Lanka stammende Pianist Dinuk Wijeratne zelebrieren »The Art of the Duo« im Ordenssaal des Ludwigsburger Schlosses mit einer ganz speziellen Symbiose aus Jazz, Klassik, arabischen und asiatischen Musiktraditionen auf der Grenze zwischen Komposition und Improvisation (13. Mai). Einen originellen Zugang zu barocker Musik hat der 2015 als Instrumentalist des Jahres mit dem »Echo Klassik« ausgezeichnete Schweizer Flötist Maurice Steger entdeckt: Als Graf Aloys von Harrach nach fünfjähriger Regentschaft als Vizekönig von Neapel 1733 nach Österreich zurückkehrte, brachte der Hobby-Flötist etliche Notenhandschriften mit, aus denen Steger und sein Ensemble historisch versierter Instrumentalisten seine »Souvenirs d’Italie« musizieren (23. Juni). Eine andere Facette der Begegnung von klassischer Musik, traditioneller Folklore und Jazz bietet das türkische Taksim-Trio um den Klarinettisten Hüsnü Senlendirici, das wieder im Kulturzentrum Karlskaserne auftritt. Mit Ismail Tuncbilek am Saz, der orientalischen Langhalslaute, und Aytac Dogan am Kanun aus der Zither-Familie knüpfen die drei bestens aufeinander eingespielten Musiker phantasievolle Klangteppiche mit feurigen und meditativen Mustern (10. Juni). Natur-Meditationen spiegeln sich in Olivier Messiaens »Catalogue d’oiseaux« ebenso wie in Maurice Ravels »Miroirs«; schon der Barockkomponist und Orgelvirtuose Louis-Claude Daquin lässt Kuckuck und Schwalbe in seinen »Pièces de Clavecin« lautmalerisch in Erscheinung treten. Und als Hauptwerk seines Klavierabends im Ordenssaal verwandelt der eminente französische Pianist Pierre-Laurent Aimard bei Claude Debussys »Images« Natureindrücke in kunstvoll impressionistische Szenerie (29. Juni). Sein Landsmann Jean-Guihen Queyras ist der Live-Mitspieler bei Anne Teresa De Keersmaekers Tanzstück »Mitten wir im Leben sind« und ihrem fünfköpfigen Ensemble Rosas im Forum. Die belgische Choreografin setzt dabei die verschiedenen Charaktere und die strukturelle Spiritualität der sechs Cello-Solosuiten von Johann Sebastian Bach in ihre eigenwillige Tanzsprache um (12. Juli). Mit »Cirque« von Mnozil Brass (30. Juni) und dem populären Klassik Open Air & Feuerwerk am Seeschloss Monrepos (14. Juli) haben die Ludwigsburger Festspiele wieder zwei Blockbuster im Programm. Das virtuose Blechbläser-Septett hat schon im letzten Jahr mit seiner clownesken Circus- Show musikalische Hits von Fledermaus bis Schostakowitsch, Pop-Evergreens und Filmmusik- Hits bis zu Gustav Mahlers »Ich bin der Welt abhanden gekommen« genial dekonstruiert und komödiantisch wieder zusammengesetzt. Wenn am Monrepos zu Ravels Bolero – vom Orchester der Schlossfestspiele neben anderen »Flammen der Leidenschaft« von Bizet und Gershwin, Massenet und Manuel de Falla live musiziert – bei traditionell gutem Wetter die Feuerwerksraketen in den Nachthimmel steigen, jubeln die Holzparkett- Besucher auf der Festinwiese und die Picknick- Gourmets auf dem Hügel dahinter gleichermaßen. Jubel und Begeisterung wird es sicher auch wieder für das südafrikanische MIAGI Youth Orchestra geben, das auf seiner »Mandelas Centenary Tour 2018« exakt am 100. Geburtstag Nelson Mandelas am 18. Juli das geistige Erbe des Staatsgründers in Ludwigsburg mit Beethoven, Strawinsky, Bernstein und Duncan Wards »Rainbow Beats« feiert. Ein lebendiger Geburtstag wird schließlich im Abschlusskonzert mit dem Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele am 21. Juli begangen: »Happy Birth day, Pinchas!« heißt es dann mit Zukerman und seiner Frau Amanda Forsyth beim Doppelkonzert für Violine und Violoncello von Johannes Brahms und Gustav Mahlers 1. Sinfonie.
Dietholf Zerweck